Die Debatte um tödliche Polizeieinsätze – zuletzt der Tod von Lorenz A. in Oldenburg – führt uns auf schmerzliche Weise vor Augen, wie dringend strukturelle Reformen bei der Polizei notwendig sind. Besonders junge Menschen, die als „fremd“ gelesen werden, sowie ihre Familien und Freund*innen verlieren aufgrund ungerechter und ungerechtfertigter Behandlungen zunehmend das Vertrauen in staatliche Institutionen. In vergleichbaren Fällen wie dem Polizeieinsatz mit Todesfolge in Oldenburg gab es in der Vergangenheit immer wieder schwerwiegende Missstände – von mangelhafter Aufklärung innerhalb der Polizei bis hin zu fehlenden Konsequenzen für verantwortliche Einsatzkräfte.
Als Stadtverband Oldenburg von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordern wir deshalb Reformen, die eine unabhängige und transparente Kontrolle staatlichen Handelns, aber auch anonyme Anlaufstellen innerhalb der Polizei sicherstellen.
Unsere Forderungen:
1. Selbständige Ermittlungsstellen auf Bundesebene
Wir fordern die Einrichtung einer institutionell unabhängigen Ermittlungsstelle, die bei Verdacht auf polizeiliches Fehlverhalten tätig wird. Diese Stelle muss außerhalb der Polizei angesiedelt werden. Bei tödlichen Einsätzen soll sie durch eine zivilgesellschaftlich besetzte Untersuchungskommission unterstützt werden.
2. Polizeibeauftragte mit echten Befugnissen
Wir brauchen in allen Bundesländern unabhängige Polizeibeauftragte mit umfassenden Rechten: Akteneinsicht, eigene Ermittlungen, strukturelle Prüfung von Missständen. Auch in Niedersachsen fordern wir einen solchen Beauftragten als zentrale Beschwerdestelle für von Diskriminierung betroffene Bürger*innen. Diese sollten über Verfahrensrechte in Straf-, Disziplinar- und Verwaltungsverfahren verfügen, um Betroffenen die Rechtsdurchsetzung zu ermöglichen. Eine zivilgesellschaftlich begleitete Aufsichtsstruktur muss etabliert werden – mit dauerhafter, klarer Zuständigkeit.
3. Reform der Polizeiausbildung und Einsatzrichtlinien
Polizeiliche Ausbildung muss sich grundlegend verändern. Deeskalation, der Umgang mit psychischen Ausnahmesituationen, der Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit sowie Sensibilität für Diskriminierung und Rassismus gehören gleichwertig zu rechtlichen und taktischen Inhalten ins Zentrum jeder Ausbildung.
4. Rassismuskritische Perspektiven institutionalisieren
Institutioneller Rassismus ist kein individuelles Versagen – sondern strukturell verankert. Deshalb fordern wir verpflichtende Module zu Rassismuskritik und Diskriminierungssensibilität in der Ausbildung von Polizei, Justiz und Verwaltung. Nur durch eine professionelle, reflektierte Haltung können wir das Vertrauen marginalisierter Gruppen in staatliche Institutionen wiederherstellen.
5. Bundesweite Studie zu Polizei und Rassismus
Umfassende, wissenschaftlich fundierte Studien zu institutionellem Rassismus innerhalb der Polizei sind überfällig. Polizeiliches Handeln muss systematisch untersucht und ausgewertet werden. Nur so schaffen wir eine faktenbasierte Grundlage für notwendige Veränderungen.
6. Schutz, Sichtbarkeit und Förderung marginalisierter Perspektiven
Die Erfahrungen von Schwarzen, Indigenen und People of Color (BIPoC) müssen endlich sichtbarer Teil der politischen Debatte werden. Schutzmaßnahmen für marginalisierte Gruppen dürfen nicht nur symbolisch existieren, sondern müssen konsequent umgesetzt und gefördert werden. Wir fordern die Anerkennung und Unterstützung gemeinschaftsbasierter Schutzstrukturen, die von BIPoC selbst getragen werden – in Politik, Gesellschaft und Verwaltung. Nur durch gezielte Förderung, politische Repräsentanz und strukturelle Anerkennung kann der Schutz marginalisierter Gruppen nachhaltig sichergestellt werden.
7. Bodycam-Pflicht und wirksame Sanktionen
Wir fordern einen bundesweit einheitlichen, gesetzlich verankerten Umgang mit Bodycams. Bodycams sollen standardisiert und verpflichtend automatisch aktiviert werden, um eine lückenlose Dokumentation von Einsätzen zu gewährleisten. Die Aufzeichnungen müssen durch unabhängige Stellen überprüfbar sein, um Manipulationen zu verhindern, Verstöße sollen dienstrechtlich belangt werden. Klare Einsatzrichtlinien und Schulungen für Polizeibeamte sind notwendig, um eine diskriminierungsfreie und transparente Nutzung sicherzustellen.
8. Anonyme Vertrauensstellen innerhalb der Polizei
Auch innerhalb der Polizei muss es möglich sein, von Diskriminierung betroffenen Anwärter*innen und Beamten*innen die Möglichkeit zu geben, sich anonym und vertrauensvoll an jemanden zu wenden, die oder der in der Lage ist, gemeldeter Diskriminierung auf den Grund zu gehen und disziplinarische Konsequenzen zu ziehen.